Rote Fesseln by Jule Winter

Rote Fesseln by Jule Winter

Autor:Jule Winter
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2012-05-09T22:00:00+00:00


10

Die komplette nächste Woche verstrich in völliger Ereignislosigkeit. Pia blieb bei Rebus. Sie richtete sich im Gästezimmer ein und nahm von hier aus die Anfragen ihrer Kundinnen entgegen. Viele interessierten sich für ihr Angebot, nachdem die Webseite online gestellt war, und Pias Termine waren schon bald auf Wochen ausgebucht. Allerdings hatte sie sich die erste Woche nach dem Brand noch freigehalten, damit sie ein wenig zur Ruhe kommen konnte. Dennoch tat ihr die Planung für ihre Arbeit gut. Sie lenkte davon ab, dass sie im Grunde heimatlos war.

Tagsüber sah sie Rebus selten. Er war viel unterwegs, und sie fragte nicht, wo er war. Lieber genoss sie die Einsamkeit im Loft und suchte sich nach getaner Arbeit ein neues Buch aus seiner schier unerschöpflichen Bibliothek.

Zugleich war sie ganz kribbelig, weil er ihr so viele Freiräume gewährte. Und vor allem beunruhigte sie zunehmend, dass er die Finger von ihr ließ.

Dennoch war es auch ein Leben, an das sie sich gewöhnen konnte: nicht mehr das Haus verlassen zu müssen, vormittags ein bisschen arbeiten (wobei sie nur E-Mails beantworten musste), nachmittags bei Tee und Keksen auf der Chaiselongue lümmeln und Bücher lesen. Oder einfach schlafen, wenn ihr alles zu viel wurde. Schlafen konnte sie immer.

Nach vier Tagen begann sie aber, schlecht zu träumen, und wenn sie aufwachte, hatte sie wieder den Brandgeruch in der Nase. Sie lief durch alle Räume des Lofts, blieb immer wieder stehen und schnupperte angestrengt.

Sie hatte Angst.

Als Rebus an diesem Abend zurückkam, warf sie sich ihm in die Arme. »Ich hab Angst«, schluchzte sie, und er brauchte eine Weile, bis er ihr die ganze Geschichte entlocken konnte. Sie fürchtete, es könnte wieder zu einem Brand kommen und dass sie dieses Mal nicht so viel Glück haben würde.

Danach blieb er tagsüber bei ihr. Wie ein leiser Schatten, der immer in der Nähe war, nur einen Ruf entfernt. Er störte sie nicht bei der Arbeit, und auch wenn sie nachmittags lesen wollte, brachte er ihr allenfalls zwischendurch eine Tasse Tee und setzte sich fünf Minuten zu ihr. Sie redeten über Belangloses, und nur einmal legte er die Hand auf ihren Unterarm.

Er machte keine Anstalten, mit ihr zu schlafen oder sich ihr irgendwie zu nähern. Und das nervte sie bald. Warum unternahm er nichts? Sie hatte ihm versprochen, sich nicht mehr mit anderen Männern einzulassen. Aber wieso sollte sie jetzt wie eine Nonne leben? War das seine Art, sie zu quälen?

Sie stellte ihm diese Frage am achten Abend unter seinem Dach. Den ganzen Tag war sie schon kribbelig gewesen und hatte sich überlegt, wie sie ihn rumkriegen konnte. Aber er zeigte nicht mal dann eine Reaktion, als sie nachmittags vor dem Baden nackt nach unten lief und »Lady Chatterly« holte. Sie hatte das Buch auf der Chaiselongue vergessen. Es gab für sie nichts Schöneres, als in der Badewanne zu liegen und zu lesen.

»Was ist mit dir los?«, fragte sie ihn bei Zitronen-Thymian-Hähnchen in Weinschaumsauce.

Er kochte hervorragend. Jeden Abend verwöhnte er sie mit einer selbst zubereiteten Mahlzeit.

»Was soll denn mit mir los sein?« Er hob den Blick, musterte sie.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.